Donauradweg - Von Donaueschingen nach Wien

 

 

Seit bereits 10 Jahren lagen die Donau-Radweg-Karten zu Hause in der Schublade. Damals radelten meine Frau Sonja und ich (mit Rollstuhl, ohne Handbike) den Rhein von der Quelle bis zur Mündung – eine Strecke von immerhin 1'500 Kilometern – ab. Die schönen Erlebnisse und Eindrücke sowie das Glücksgefühl, die Strecke aus eigener Kraft geschafft zu haben, liessen in uns den Wunsch erwecken, auch die Donau (wenigstens teilweise, denn die ganze Flusslänge von 2’850 Kilometern wäre dann doch ein wenig zu viel, vor allem auch in Anbetracht der fehlenden Radwege in den Balkan-Staaten) auf diese Weise etwas näher kennen zu lernen. Andere Reisevorhaben (3 Jahre Amerika sowie 2 Jahre Afrika) verhinderten vorerst dieses Anliegen, was die erwähnten Karten über all die Jahre unangetastet in einer dunklen Lade ruhen liessen.

 

An einem wolkenverhangenen Feiertag im Mai 2006 war es dann aber soweit. Sonjas Fahrrad, Rollstuhl und Handbike sowie zahlreiche wasserdichte Fahrradtaschen, prall gefüllt mit Kleidern, Campingausrüstung, Nahrungsmitteln und vieles mehr, waren in unserem Auto verstaut, und wir konnten die Fahrt nach Donaueschingen, dem Ausgangspunkt des Donau-Radweges, in Angriff nehmen. Dort angekommen, war es bereits Mittag. Ein starker Westwind trieb Regenwolken heran, was uns dazu bewog, gleich loszufahren und auf eine Besichtigung von Stadt und Donauquelle zu verzichten, zumal wir die schon von einem früheren Besuch her kannten.

Vom Rückenwind kräftig geschoben, näherten wir uns rasch Tuttlingen, dem ersten Etappenziel. Erfreut konnte ich feststellen, dass die Fahreigenschaften des Speedy-Bikes durch das Gewicht des Gepäcks vor allem bei höheren Tempi sogar noch verbessert wurden. Nach Tuttlingen hat sich die Donau – obwohl noch immer nur ein Flüsschen – über Jahrtausende durch das verkarstete Gestein der Schwäbischen Alb gefressen. Dieser Streckenabschnitt ist wohl einer der beeindruckendsten. Im engen Tal lässt der Fluss nur noch Platz für einen schmalen Landwirtschaftsweg und die Eisenbahn. Hoch über uns blickten – Adlerhorsten gleich – immer wieder mittelalterliche Burgen auf uns Menschlein herunter. Der ungeteerte, regennasse und entsprechend glitschige Weg liess an einigen Steigungen das trotz des durch das Gepäck gut belastete Vorderrad durchdrehen, so dass Sonja ihr Fahrrad jeweils abstellen musste, um mir zu helfen. Den ersten Plattfuss fingen wir auch schon an diesem Tag ein, und so war es bereits später Nachmittag, als wir in Beuron eintrafen. Dunkle Regenwolken liessen es ratsam erscheinen, hier nach einem Übernachtungsplatz Ausschau zu halten.

 

Bereits am 2. Tag unserer Tour gab es den 1. Plattfuss zu reparieren

Die landschaftlich reizvolle aber anstrengende Fahrt dauerte noch bis Sigmaringen. Dann wird das Land flacher und es ging in flotter Fahrt durch weite Äcker und Felder. Im malerischen Riedlingen fanden wir einen weiteren netten Gasthof. Dank meinem kompakten Alltags-Rollstuhl gab es bislang überhaupt keine Probleme, ein Zimmer zu finden. Den Fahrrädern stand jeweils ebenfalls ein abgeschlossener Raum zur Verfügung.

Der folgende Morgen zeigte sich grau und wolkenverhangen, und kaum waren wir losgefahren, setzte intensiver Regen ein. Es zeigte sich bald, dass meine Jacke alles andere als wasserdicht ist. Wenigstens war es nicht allzu kalt und die körperliche Anstrengung sorgte eh dafür, dass ich nicht frieren musste. Immerhin schafften wir an diesem Tag 75 Kilometer und kamen gegen Abend in Ulm an. Da für den folgenden Tag noch schlechteres Wetter angesagt wurde, blieben wir noch einen Tag in Ulm und deckten uns bei dieser Gelegenheit auch noch mit besserer Kleidung ein. Gespannt lauschten wir am Abend den Wettervorhersagen, doch zum anhaltenden Regenwetter kam jetzt auch noch die Kälte hinzu: Schnee bis in tiefere Lagen, und das Ende Mai! Da wir in unserem Zeitplan bereits im Rückstand waren, beschlossen wir, die Strecke Ulm-Ingolstadt mit der Bahn zurückzulegen. In Ingolstadt angekommen, machten wir uns aber gleich auf den Weg und kamen noch bis Bad Göggingen.

Wenige Kilometer nach Bad Göggingen folgt ein weiterer spektakulärer Streckenabschnitt: der Donaudurchbruch. Hier zwängt sich die Donau durch die Felsen des Fränkischen Juragebirges. Auf der Fahrt dorthin sahen wir uns aber vor ein neues Problem gestellt: Die Donau führte Hochwasser, und der Radweg war über weite Strecken überflutet. So sahen wir uns immer wieder gezwungen, auf Bundesstrassen auszuweichen und Umwege und Steigungen in Kauf zu nehmen.

 

Die Anlegestelle vor dem Donaudurchbruch stand ebenfalls kurz vor der Überflutung, und wir erwischten gerade noch eines der letzten Schiffe, bevor die Schifffahrt eingestellt wurde. Wären wir etwas später angekommen, hätten wir einen grossen, beschwerlichen Umweg machen müssen. So aber konnten wir die Fahrt zwischen den senkrecht emporsteigenden Felswänden hindurch in vollen Zügen geniessen – sogar die Sonne zeigte sich für einen Moment und liess die weissen Kalksteinfelsen hell aufleuchten. Nach der 20-minütigen Schifffahrt konnten wir im historischen Städtchen Kelheim unsere Reise auf dem Radweg wieder fortsetzen. Noch am selben Abend war dann Regensburg erreicht, doch hatten wir hier erstmals Mühe, einen Übernachtungsplatz zu finden. Das lag zwar nicht an mangelnden Unterkünften, doch waren diese infolge eines kulturellen Grossanlasses alle ausgebucht. So sahen wir uns – einmal mehr gejagt von tiefliegenden Regenwolken – gezwungen, noch weiter zu fahren, um schliesslich einige Kilometer ausserhalb der Stadt in einer teuren Luxusherberge zu nächtigen.

In Regensburg erreicht Europas zweitlängster Fluss seinen nördlichsten Punkt. Hier wird der Lauf der Donau durch das harte Gestein der Böhmischen Masse umgelenkt. Die fruchtbare Ebene des Gäubodens zur Rechten und die Vorberge des Bayrischen Waldes zur Linken, sucht sich der Fluss den Weg Richtung Südosten. Es herrschte nun reger Schiffsverkehr auf der Donau. Da die teilweise unbefestigten Wege vom Regen aufgeweicht waren, wichen wir öfters auf Bundesstrassen aus. Die sehr genaue Radwegkarte half uns dabei und bewahrte uns oft vor Kräfte raubenden und schlammigen Wegen. Am Mittag des 10. Tages unserer Tour erreichten wir Passau. Dort, wo Inn und Donau zusammenfliessen, gönnten wir uns eine Rast und streiften anschliessend durch die Altstadt. Ein Teil der Landspitze war zwar überflutet, doch zeigten die historischen Hochwassermarken in erschreckender Weise, wie gewaltig die Naturelement wirken können.

Das rund 360 Kilometer lange Teilstück Passau-Wien ist bei den Radlern das mit Abstand beliebteste und deshalb meistbefahrendste. Der Radweg weist kaum Steigungen auf, befindet sich meist in sehr gutem Zustand und führt durch schöne, abwechslungsreiche Landschaften. Sahen wir bisher während Tagen kaum andere Radfahrer, so änderte sich dies nun schlagartig. Man trifft auch immer wieder dieselben Leute, was des öfteren zu Plauderpausen verleitet. In der Hochsaison dürfte man auf diesem Radweg vermutlich mehr oder weniger im Pulk fahren und entsprechend schwierig ist es dann wohl, spontan und ohne Voranmeldung einen Übernachtungsplatz zu finden. Dank Vorsaison und weiterhin schlechtem Wetter blieb uns dieses Problem erspart.

Nach 14 Fahr-Tagen trafen wir schliesslich müde aber glücklich in Wien ein. Österreichs Hauptstadt lässt sich mit dem Fahrrad sehr gut entdecken, und so kamen bei der Besichtigung der verschiedenen Sehenswürdigkeiten nochmals einige Kilometer hinzu.

Das Speedy-Bike hat sich auf dieser Tour bestens bewährt. Durch das kinderleichte An- und Abkoppeln, die Handlichkeit, die guten Fahreigenschaften und die Robustheit ist es ideal für gemütliche Radtouren, auch über grosse Distanzen. Von Vorteil ist auch der praktische Gepäckträger, an den auch gängige, wasserdichte Radtaschen angehängt werden können.

Etwas kompliziert und umständlich erwies sich das Buchen der Rückreise mit der Bahn. Obwohl Wien bestimmt von Tausenden von Radfahrern, die wie wir mit der Bahn wieder nach Hause fahren wollen, angesteuert wird, hat es in den Zügen nur sehr beschränkte Plätze für den Fahrrad-Transport. Ohne vorzeitige Reservation muss man gewärtigen, mehrere Tage auf einen Platz warten zu müssen. Als Alternative bleibt nur noch, das Rad separat als Fracht aufzugeben. Dafür hat es mit der Assistenz beim Ein- und Umsteigen bestens geklappt, und wir konnten die Bahnfahrt vollumfänglich geniessen.

 

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