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Rechtzeitig treffen wir im Hafen von Genua ein. Der Parkplatz ist nebst Geländefahrzeugen im „Safari-Look“ auch durch Personenwagen heimkehrender Gastarbeiter sowie einigen Reisecars mit Pauschaltouristen gefüllt. Vor dem Schalter zur Abfertigung der Ausreisedokumente hat sich schon eine lange Menschenschlange gebildet. Auch wir stellen uns hinten an. Ein Tunesier meint, ich als Rollstuhlfahrer hätte das Recht, gleich umgehend abgefertigt zu werden. Ich entgegne ihm, dass ich wie alle anderen auf die Abfertigung warten wolle. Doch damit gibt er sich nicht zufrieden und interveniert bei den italienischen Beamten. Nachdem die offenbar priviligierten Reisebus-Chauffeure ihre Dokumente erledigt haben, werde ich plötzlich zum Schalter beordert. Der Tunesier, der sich für meine „Spezialbehandlung“ eingesetzt hat, schiebt mich durch die bereitwillig Platz machende Schlange nach vorne und wenig später befinde ich mich bereits wieder im Freien. Mein Helfer natürlich ebenfalls - er sah bei seiner Aktion wohl von Anfang an seinen Vorteil!
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Tunesien ist ein relativ kleines Land und wir durchfahren es ziemlich zügig, denn wir hoffen, auf dem Rückweg noch einige erholsame Tage hier zu verbringen. Einzig der heiligen Stadt Kaiouran statten wir einen kurzen Besuch ab. Nebst einer imposanten Moschee lädt vor allem die Medina, die Altstadt mit ihrem orientalischen Bazar, zur spannenden Erkundung ein. Wie wir es schon von Marokko her kennen, muss man sich auch hier der vielen Händler erwehren, die einem einen Teppich, eine Sammlung exotischer Gewürze, eine garantiert echte Antiquität und was weiss ich noch alles aufschwatzen wollen.
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Bei den zahlreichen Polizei-Kontrollen werden wir immer freundlich durchgewunken. Erst vor den riesigen Erdölfeldern von Hassi Messoud müssen wir ein stickiges, kleines Büro aufsuchen, wo der Uniformierte unsere Personalien in ein Buch einträgt und uns ein Laisser Passer ausstellt. Dann werden Wasser- und Dieselvorräte (der Liter Diesel kostet 17 Euro-Cents!) ergänzt und bald darauf suchen wir uns wieder ein möglichst uneinsehbares Nachtlager abseits der Strasse. Eine eigenartige Mondlandschaft umgibt uns und lädt dazu ein, die Geländetauglichkeit meines Rollstuhls mit den breiten Mountainbike-Rädern auszuprobieren. Nachdem der Luftdruck stark reduziert wurde, ist ein mir bis anhin ungekanntes Fortbewegen über Sand und Geröll möglich. Zu zweit schaffen wir sogar problemlos das Erklimmen einer kleineren Sanddüne. Das Hinunterrollen geht ohne einzubrechen in flottem Tempo vonstatten und macht richtig Spass. Morgen früh wollen wir das ganze auch noch mit dem Langlaufschlitten versuchen.
Geschafft! Die Düne ist erklommen |
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Daraus wird aber nichts. Während der Nacht setzt ein starker Wind ein, der sich zunehmend zum Sturm entwickelt. Der Himmel ist bleiern. Myriaden von Sandkörnchen wirbeln durch die Atmosphäre. Ein Weiterfahren hat keinen Sinn, denn wir stossen nun immer weiter in den Erg Oriental - einem Meer aus Sanddünen - vor. Dort tobt derzeit wohl ein gewaltiger Sandsturm. Hier gibt es aber noch nicht so viel Flugsand und wir fühlen uns sicher. Etwas Sorge bereiten uns jedoch die Auswirkungen des Sturmes auf die Befahrbarkeit der Pisten, die noch vor uns liegen.
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Am Abend lässt der Sturm nach und lässt Hoffnung aufkommen. Nach einer ruhigen Nacht frischt der Wind aber wieder auf, doch wenigstens ist der Himmel jetzt wolkenlos. Wir fahren weiter. Wie erwartet, ist die Strasse vielerorts mit Sand verweht. Manchmal bleiben auch Fahrzeuge stecken.
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Wir verlassen nun die an die libysche Grenze führende Hauptroute. Über das, was uns nun erwartet, sind wir einigermassen informiert: eine Asphaltstrasse, die seit vielen Jahren nicht mehr unterhalten wird und daher streckenweise von haushohen Sanddünen bedeckt ist, die es irgendwie zu umfahren gilt.
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Bei einem Militärcamp werden wir ein weiteres Mal sehr freundlich abgefertigt und mit den besten Wünschen im wahrsten Sinne des Wortes „in die Wüste geschickt“. Schon nach einigen Kilometern sanden wir das erste Mal ein, können uns aber in wenigen Minuten frei schaufeln und wieder auf festen Grund gelangen. Diese schnelle Befreiungsaktion gibt uns Selbstvertrauen und Mut für die weitere Strecke, doch für heute ist erst einmal Feierabend.
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Wir
parken am Fusse der goldgelben Sanddünen und trotz des immer noch
starken Windes will ich gleich noch den Langlaufschlitten ausprobieren.
Es funktioniert! Zwar kann nach einem kräftigen Doppelstock-Stoss kein
Schwung mitgenommen werden, aber immerhin ist ein Fortbewegen über den
sehr feinen Sand gut möglich.
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Der Langlaufschlitten wurde von Peter Gilomen, Horw (CH), als Wintersportgerät für Körperbehinderte entwickelt. Seit vielen Jahren gleite ich damit im Winter mit Freuden auf Loipen. Mit dem Rollstuhl ist man im weichen Sand hoffnungslos verloren. Als langjähriger Langläufer lag es daher nahe, dieses Gerät auch einmal im Sand zu testen. Für die neuen Gegebenheiten verwendete ich ausgediente, breitere Alpin-Skis. |
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Am folgenden Morgen ist der Wind endlich eingeschlafen und der Himmel lacht im reinsten Blau. Noch vor dem Frühstück sitze ich wieder in den Langlaufschlitten und arbeite mich die Düne hoch, um dann an der steilen Flanke hinunterzubrausen.
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I
In der Wüste begegnet man immer wieder dem Überlebenskampf der Natur. Dieser Baum scheint sich - vom Winde gebeugt - verzweifelt in den Sand zu klammern. |
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