Armenien Teil 1

 

Gyumri, Berg Aragat, Kloster Amberd, Jerewan, Sevan-See, Kloster Tathev, Goris, Berg Karabach,

Wir verlassen Gjumri wieder und machen uns auf die Suche von Dschraphi, einer Karawanserei an der legendären Seidenstrasse. Auf einem Hügel gelegen, ist sie leicht zu finden. Zwar liegt die Karawanserei grösstenteils in Ruinen, doch die noch intakten Reste lassen die typische Architektur dieser Gebäude erkennen: ein langgestreckter, rechteckiger Grundriss, in den kleine Gewölbe als Unterkünfte für Reittiere eingesetzt wurden. Neben der Karawanserei steht eine völlig intakte – und den Ikonen und Kerzen nach zu schliessen auch rege benutzte – kleine Kirche aus schwarzem Tuffstein. Ein Schäfer hütet seine Herde und winkt uns freundlich zu.

An den in der Sonne gleissenden, kugelförmigen Metalldächern des Sternenobservatoriums von Bjurakan vorbei, keucht unser Beni die Hänge des 4'090 Meter hohen Aragats (nicht zu verwechseln mit dem Berg Ararat, der auf türkischem Gebiet liegt) hoch. Unser Ziel ist die auf 2'000 Meter über dem Meeresspiegel gelegene, 1’000-jährige Kirche Amberd. Bevor wir dort ankommen, lockt aber ein Schild mit einem von schneebedeckten Bergen umgebenen Bergsee – den Hochspannungsleitungen nach zu schliessen aber eher einem Stausee.

Es ist eh Zeit, einen Übernachtungsplatz zu suchen, und so folgen wir dem Schild, zumal das Strässchen weiterhin asphaltiert ist. Wir schrauben uns höher und höher, immer den Strommasten folgend. Eigentlich wäre es bereits zu hoch (und entsprechend auch zu kalt) für ein Camp, aber die Neugier ist geweckt und wir wollen diesen See sehen.

Bei 3'000 Höhenmetern geht unserem Saugdiesel schon ziemlich die Puste aus und so sehen wir uns gezwungen, mit zugeschaltetem Untersetzungsgetriebe weiterzufahren.

Die Schneemauern werden auch immer höher, nur vom See ist weit und breit nichts zu sehen. Schliesslich endet die Strasse bei einigen Steinhäusern vor einer geschlossenen Schranke, hinter der der Weg noch unter einer tiefen Schneedecke liegt. Der Höhenmesser zeigt 3'250 Meter an, doch die Stromleitungen führen noch viel weiter – und dort, wo sie enden, muss auch dieser ominöse See liegen. Wir fragen uns, wie der Unterhalt dieses doch sehr hoch gelegenen Kraftwerks im Winter, wenn der Schnee viele Meter tief liegt, bewerkstelligt werden kann.

Es ist mittlerweile spät geworden, und wir machen uns daran, wieder in tiefer gelegene Gefilde zu gelangen und dort einen Übernachtungsplatz zu finden. Zudem sind dunkle Wolken aufgezogen und haben die Felszacken des Aragats bereits verhüllt. Auf 2'500 Höhenmetern bietet sich dann eine ebene, mit bunten Bergblumen bewachsene Wiese gleich neben dem kaum befahrenen Weg für das Camp an. Die absolute Ruhe und die kühle Nacht lassen uns herrlich schlafen.

Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg nach Amberd. Man muss die baumlose Berglandschaft schon genau absuchen, bis man die Umrisse der kleinen Kreuzkuppelkirche mit blossem Auge entdeckt. Da fällt die dazu gehörende Festung schon eher auf. Verfransen kann man sich aber nicht, denn es gibt nur die Strasse zum Kraftwerk und jene zur Kirche.

Vom Parkplatz aus geht es dann noch einige Meter zu Fuss, bis man zum perfekt restaurierten Gebäude kommt. Am Eindrücklichsten ist aber die Lage dieses Komplexes. Erbaut vor 1'000 Jahren in schwer zugänglichem Gelände an den Hängen des Aragats und mit weitem Blick auf die Ararat-Ebene (und bei klarer Sicht wohl auch auf den Berg Ararat) war Amberd ein für Feinde weitgehend uneinnehmbare Festung und Sommersitz der damaligen Fürsten.

Mit einer Länge von 78 und einer Breite von 56 Kilometern ist der Sevan-See einer der höchstgelegenen der Welt dieser Grösse. Umrahmt von schneebedeckten Bergen beeindruckt er aber auch landschaftlich. Für die Jerewaner ist er natürlich auch ein beliebtes Ausflugs- und Urlaubsziel, was an den vielen touristischen Einrichtungen auch leicht zu erkennen ist. Jetzt, Ende April, liegen die Hotels und einfachen Bungalows noch ziemlich vereinsamt da. Nach einigem Suchen leisten wir uns den Luxus, ein Appartement des wohl teuersten und modernsten Hotel-Komplexes am See, im Harsnaqar, zu beziehen. Eine warme Dusche und die sich anhäufende schmutzige Wäsche zu waschen ist aber ein langersehnter Wunsch. Am Abend im Esssaal mit weiss gedeckten Tischen und Stühlen (!) und mehr Kellnern als Gästen fühlen wir uns zwar etwas deplatziert, lassen uns das Essen und den armenischen Wein aber trotzdem schmecken.

Nach einer kalten Nacht nehmen wir am nächsten Morgen trotz wolkenverhangenem Himmel und Regenschauern den Selim-Pass in Angriff. Wider Erwarten ist die Strasse sehr gut ausgebaut.

Schon kurz nach der Passhöhe – immer noch auf 2’300 Metern gelegen – liegt die Selim-Karawanserei. Sie ist fast vollständig erhalten und kann somit den Besucher um Jahrhunderte zurückversetzen, als hier mit wertvollen Handelsgüter schwer bepackte Lasttiere nach mühsamem Aufstieg entladen wurden und Nahrung und verdiente Rast fanden. Vom ebenen Parkplatz direkt vor der Karawanserei bietet sich ein grandioser Ausblick auf die umliegenden Berge und die in vielen Serpentinen steil ansteigende, aber nach wie vor sehr gut ausgebaute Passstrasse. Das wäre auch ein perfekter Übernachtungsplatz, denn allzu viel Verkehr dürfte hier nachts kaum herrschen.

Einige Kilometer vor Goris biegen wir auf eine schlaglochübersäte Nebenstrasse nach Tatev ab. Plötzlich endet die Hochebene abrupt an einer tief eingeschnittenen, dicht bewaldeten Schlucht. Die Strasse führt dem Canyon entlang und bietet grossartige Ausblicke auf die wilde Bergwelt.

Die holprige Strasse windet sich nun in einem Seitenarm der Schlucht hinunter zur Teufelsbrücke, um dann gleich in vielen engen Spitzkehren wieder steil anzusteigen. Oben auf dem Plateau und dem Dorf Tatev angelangt, entdecken wir dann unser Tagesziel: Das Kloster Tatev.

Auf einem grossen, steilen Felsvorsprung, beinahe senkrecht über dem tief unten in der Schlucht rauschenden Vorotan wurde bereits im 9. Jahrhundert mit der Erbauung einer grossen Kirche das Kloster von Tatev gegründet. Die Abgeschiedenheit und von der Natur gegebenen Uneinnehmbarkeit durch feindliche Horden liess das Kloster über ein ganzes Jahrtausend hindurch mit Bischofssitz und Universität das belebteste und aktivste Kloster Armeniens sein. Bis zu 600 Mönche gleichzeitig lebten und lehrten hier. Von der Strasse aus hat man einen herrlichen Ausblick auf die fast vollständig erhalten gebliebene Anlage und die Vorotan-Schlucht. Es gäbe hier auch einen fantastischen Stellplatz, doch hat am Nachmittag ein heftiges Gewitter den Boden zu sehr aufgeweicht, so dass wir mit dem Parkplatz des Klosters Vorlieb nehmen müssen.

Auch Tatev ist ein Ort, wo die Geschichte Armeniens gelebt und zelebriert wird. Die Priester leben hier, die Einheimischen kommen zur Messe und die wenigen ausländischen Touristen sind gern gesehene Gäste. Wohl auch deshalb ist man noch nicht auf die Idee gekommen, Eintrittsgelder zu verlangen.

Detail-Aufnahmen Kloster Tatev

Gegen Mittag erreichen wir die am Berghang gelegene Kleinstadt Goris. Früher hausten die Menschen hier in Höhlen und ausgehöhlten Tuffsteinkegeln, ähnlich wie im türkischen Kapadokien.

 

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