von Batumi über den Goderdzi-Pass zum Höhlenkloster Wardzia und zur armenischen Grenze
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Die einst blühende Hafenstadt Batumi liegt nur wenige Kilometer hinter der Grenze. Als Georgien noch zur Sowjetunion gehörte, war das Land mit seinem milden, hier an der Schwarzmeerküste sogar subtropischen Klima, ein sehr beliebtes Urlaubsziel der Russen. Davon zeugen die zahlreichen Herrschaftshäuser oder das Casino. Vieles ist heute aber verwahrlost und am Verfallen. Trotzdem strahlt wenigstens das Hafenviertel einen gewissen Charme aus und erinnert mit den palmenumsäumten Boulevards, den bunten Fassaden der Häuser und den durchlöcherten Seitenstrassen ein wenig an eine exotische mittelamerikanische Hafenstadt. Unser Ziel sind zuerst einmal die Geldwechsler und dann der Hafen, wo wir die Verschiffungsmöglichkeiten nach Russland abklären. Es existiert jedoch nur ein Personen-Schnellboot nach Sotchi. |
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Die Strasse wird zunehmend schlechter. Vom einstigen Asphalt sind nur noch Fragmente übrig geblieben. Bei Regen dürfte diese Route infolge Erdrutschen oder Unterspülungen wohl des Öfteren unterbrochen sein. Das Wetterglück steht aber auf unserer Seite und so kommen wir, wenn auch sehr langsam, höher und höher. |
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Die vielen Obstbäume stehen in voller Blüte und geben einen warmen Kontrast zu der schroffen Landschaft und den ärmlichen Häusern, an denen aber nichtsdestotrotz immer mindestens eine Parabolantenne darauf hinweist, dass die Neuzeit auch hier Einzug gehalten hat. Auch das Handy ist längst in diese abgeschiedene Welt vorgedrungen und allgegenwärtig. So ist selbst der Schafhirte, unweit der Passhöhe und bereits zwischen der ersten Schneefeldern, am Telefonieren. |
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Tankstelle auf dem Weg zum Goderdzi-Pass |
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Autos sind hingegen nur noch wenige unterwegs und wir fragen uns, ob der Goderdzi-Pass überhaupt schon offen ist, denn die Schneemauern werden höher und höher, bis sie schliesslich weit über unser Autodach reichen. Aber die Passhöhe von knapp über 2'000 Metern ist erreicht und der Abstieg kann in Angriff genommen werden. |
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Die Landschaft ändert sich radikal. Nachdem das Tal auf der anderen Seite des Passes ziemlich intensiv bewirtschaftet wurde, ist jetzt weit und breit kein Gehöft mehr zu sehen. Dafür fahren wir nun durch dichten Nadelwald. Auch der feuchte Nebel weicht einem blauen, wolkenlosen Himmel. Nur die Strasse bleibt weiterhin sehr schlecht und wir wundern uns, wie die Georgier mit ihren Ladas und Ford Transits diesen Weg meistern. |
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Trotzdem kommen wir noch am selben Abend in jenem engen, abgeschiedenen Tal an, wo sich eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Georgiens befindet, nämlich die Höhlenstadt Wardsia. |
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Höhlenstadt und -kloster Wardsia |
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Schon bald entdecken wir die vielen von Menschenhand geschaffenen Höhlen in einer 500 Meter hohen Felswand. Gleich am Ufer des reissenden Mtkwari finden wir einen idealen Stellplatz mit Blick auf die Höhlenstadt, deren Entdeckung wir dann morgen angehen werden. |
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Zuerst waren es Einsiedler und einzelne Mönche, die zur Zeit des frühen Christentums in dieser Abgeschiedenheit geistige Einkehrung fanden. Später suchten hier Christen Zuflucht vor den heranstürmenden Mongolen oder Arabern. Den natürlichen Höhlen im weichen Tuffstein wurden weitere hinzugefügt und durch Querstollen miteinander verbunden. Zur Blütezeit Wardsias lebten hier 800 Mönche, die den Komplex von 2'000 Sälen und Kammern erhielten, verwalteten und Lebensmittelvorräte anlegten. Die Höhlen konnten bis zu 50'000 Menschen aufnehmen. Zugänglich war das Kloster über Leitern, die eingezogen wurden, wenn Feinde nahten. Daneben führten einige bestens getarnte unterirdisch Gänge vom Ufer des Flusses in den Berg, durch die man über ein Gewirr von engen Treppen und Falltüren ins Innere des Klosters gelangte. Das Wasser erhielten die Bewohner aus einem riesigen Reservoir, das sich aus Mineralquellen im Bergesinneren speiste und über unterirdisch verlegte keramische Röhren mit dem Fluss verbunden war. Über Öffnungen und raffinierte Windkanäle konnten auch die inneren Höhlen ständig mit Frischluft versorgt werden, ohne dass die vielen Menschen auf engstem Raum an ihren eigenen Ausdünstungen ersticken mussten. Ihre Notdurft verrichteten sie über spezielle Balkone an den Aussenwänden. Es heisst, dass sowohl die Mongolen als auch die Osmanen dieser Festung nur deshalb habhaft wurden, weil sie durch Verrat von den unterirdischen Gängen und ihren Geheimnissen erfuhren. |
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Über Jahrhunderte verwaiste dann Wardsia. Die Höhlen dienten nur noch Hirten und ihrem Vieh als Unterkunft. Anfang des 19. Jahnhunderts zerstörte dann ein Erdbeben die meisten Stollen. In jahrzehntelanger Kleinarbeit wurde im 20. Jahrhundert wenigstens ein Teil des Komplexes wieder ausgegraben und restauriert. Heute leben auch wieder einige Mönche in einem für Besucher nicht zugänglichen Teil der Höhlenstadt und Einheimische pilgern nach Wardsia, um an Messen und Feierlichkeiten teilzuhaben. |
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Gegen Abend fahren wir zur hoch über dem Tal gelegenen Ruine des einstigen Intourist-Hotels. Von hier hat man eine prächtige Aussicht auf das Tal, die umliegenden Berge – von denen sich die westlich gelegenen bereits auf türkischem Boden befinden – und natürlich auf die Höhlenstadt, die aus dieser Perspektive gleich auf Augenhöhe gegenüber liegt. Wir können beobachten, wie die Mönche ihren Tagesgeschäften nachgehen und wie bei einbrechender Dunkelheit eine Messe für eine Gruppe Einheimischer zelebriert wird. |
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Auf dem Weg zur armenischen Grenze |
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