Algerien - 3. Teil

Wir verlassen Djanet wieder, um die Piste nach Tamanrasset unter die Räder zu nehmen. Schon bald begegnen wir einer kleinen Kamelkarawane. Freundlich winken uns die beiden Tuaregs zu. Wir geniessen den Anblick dieser majestätisch wankenden „Wüstenschiffe“. Wie lange wird es diesen Anblick wohl noch geben? Das Kamel, dieses perfekt an die Wüste angepasste Tier, wird in seiner Jahrtausende alten Funktion als Fortbewegungsmittel immer mehr von Geländewagen und LKWs verdrängt.  

Rund 400 Kilometer Piste liegen nun vor uns. Es handelt sich dabei einfach um einen mehr schlecht als recht markierten, aber in keiner Weise trassierten Weg durch die Wüste. Das Gelände ist meist flach und der Boden oft sandig, aber gut befahrbar. Nach anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten treffen wir nach einigem Suchen endlich auf die Hauptpiste. Da wir nun ziemlich sicher sind, dass unsere Vorderachse deformiert ist, fahren wir noch vorsichtiger als sonst. Wir haben ja Zeit und die Wasser- und Lebensmittelvorräte würden notfalls für einige Wochen reichen. Die Landschaft ist weit, menschenleer und eindrucksvoll. Verstummt der Motor, ist die Stille dermassen absolut, dass das einzige Geräusch das Ticken meiner Armbanduhr ist.

 

Gegen Abend des zweiten Tages auf dieser Piste sind erstmals unheilbringende Geräusche aus der Vorderachse zu vernehmen. Nun fahren wir noch langsamer weiter und erreichen endlich das Militär-Fort Serouenout. Erneut werden unsere Personalien freundlich aufgenommen und bei dieser Gelegenheit erklären wir unser Problem mit der Vorderachse. Der Kommandant ruft nach dem Mechaniker. Natürlich kann der auch nicht viel ausrichten und wir vereinbaren, dass wir uns in der nächsten, 250 Kilometer entfernten Oase binnen vier Tage bei der Gendarmerie melden werden.

 

Wir fahren weiter, müssen aber bald einmal feststellen, dass die Geräusche an Intensität zunehmen. Nach etwa 30 Kilometern schlagen wir unser Nachtlager auf und beschliessen, morgen zum Fort zurückzukehren, um die Ursache des Geräusches zu eruieren und nach Möglichkeit zu reparieren. Ersatzteile und Werkzeuge führen wir schliesslich mit uns. Wieder beim Fort angelangt, kommt man unverzüglich zur Sache. Der Mechaniker fängt sofort mit der Arbeit an, unterstützt von seinen teilweise uniformierten Kollegen. Uns lässt man höchstens als Handlanger mithelfen. Teil um Teil, Lager um Lager wird demontiert, geprüft und nach Möglichkeit ersetzt. Die meisten der mitgeführten Ersatzteile erweisen sich jedoch als unpassend: Von unserer Mercedes-Niederlassung, die uns das Auto verkauft und auch auf Vierradantrieb umgebaut hat, wurden falsche Teile mitgegeben! Gegen Abend ist die Vorderachse wieder zusammengebaut, doch das Ergebnis der Reparatur ist ernüchternd und dürfte keinen Bestand haben. Im Gegenteil – es sind noch neue schabende Geräusche hinzugekommen. Wir diskutieren die Möglichkeiten und kommen zum Schluss, dass es wohl am Gescheitesten wäre, das Fahrzeug auf einen Lastwagen zu verladen und nach Djanet zu bringen. Dort gibt es ein funktionierendes Telefon und somit die Möglichkeit, das weitere Vorgehen zu planen und organisieren. Der Kommandant will versuchen, über Funk ein entsprechendes Fahrzeug zu organisieren. Wir dürfen bis auf weiteres beim Fort campen. Statt eine angebotene Entschädigung für die schweisstreibende und schmutzige Arbeit anzunehmen, werden wir mit Brot und Tee verköstigt. Die Herzlichkeit der Algerier ist wirklich kaum zu überbieten.

Nach 1 ½ Tagen des Wartens in der schattenlosen Wüste nähert sich eine Staubfahne dem mit Lehmmauern befestigten, einsamen Fort. Es ist der Lastwagen. Nun sind wir gespannt, wie unser Beni auf die hohe Ladebrücke kommt. In einiger Entfernung erheben sich Hügel aus der Ebene und dorthin geht es nun in Begleitung der halben Besatzung des Forts. Man dirigiert mich auf eine felsige Erhebung. Der Lastwagen hat an der steilen Flanke geparkt. Emsig werden Felsbrocken entfernt und mittels arg deformierter Sandbleche wird eine Brücke zur Ladefläche erstellt. Nach einigen bangen Momenten steht Beni auf dem Lastwagen. Nur schade, dass wir diese spektakuläre Verladeaktion nicht fotografieren dürfen, da es sich gemäss Kommandant um einen militärischen Einsatz handelt.

Endlich kann es losgehen. Unseren Gastgebern zuwinkend, verlassen wir das Fort auf einer anderen Piste als jener, auf der wir vor zwei Tagen hierher kamen. Nebst Ahmed, dem zivil gekleideten Gendarm, besteht die Besatzung noch aus zwei turbanbewehrten Tuaregs. Erwartungsgemäss werden wir arg durchgeschüttelt, obwohl der Fahrer sein schweres Fahrzeug sehr umsichtig über die meist flache und sandige Wüste führt. Besorgt beobachte ich im Rückspiegel die Stabilität unseres Wagens, denn bereits eine geringe Seitwärtsbewegung könnte ein Touchieren an den seitlichen Laden bewirken. Aber es geht soweit alles gut und noch vor Einbruch der Nacht ist das kleine Dorf Bordj el Haoues an der Asphaltstrasse erreicht. Wie wir inzwischen erfahren haben, gehört der Lastwagen der Gemeinde dieses Dorfes und auch die drei Männer sind für die Gemeinde tätig. Trotzdem rechnen wir nun mit einer saftigen Rechnung, denn der Lastwagen musste etwa 250 Kilometer zurücklegen, und die Besatzung benötigte für unsere Bergung einen vollen Tag. Doch wiederum bleibt uns nur ungläubiges Staunen: Die Bergung sei kostenlos, wird uns mitgeteilt. Eine Freude können wir den drei Männern mit Polaroid-Erinnerungsfotos sowie einigen kleinen Geschenken bereiten.

Ein voller Tag Arbeit ist notwendig, um die durch Reparaturen und Transport entstandenen Schäden zu beheben. Müde und vor Schmutz starrend, beenden wir knapp vor Sonnenuntergang diesen erfolgreichen Arbeitstag.

Nachdem wir uns auch noch von Ahmed und einigen anderen neu gewonnenen Freunden verabschiedet haben, machen wir uns auf den weiten Weg: Rund 2'000 Kilometer sind es bis nach Tunis. Möglichst Geräusche und Vibrationen vermeidend, fahren wir äusserst vorsichtig nordwärts. Für die fantastische Landschaft haben wir kaum mehr Augen – zu sehr sind wir auf das Vorwärtskommen konzentriert. Am Abend ist Illizi tatsächlich erreicht. Am Rande eines hohen Dünenfeldes schlagen wir unser Nachtlager auf. Während wir bei hochsommerlichen Temperaturen unser letztes Bier geniessen, hören wir über Kurzwelle von Minustemperaturen und Schneefall in Mitteleuropa.  

 

Anfänglich geht auch weiterhin alles gut, doch etwa 160 Kilometer vor dem Ziel scheint das Ende zu kommen: Die Gelenke oder die Lager der Antriebswellen sind nun offenbar dermassen ausgeschlagen, dass an ein Weiterfahren nicht mehr zu denken ist. Im Schritttempo holpern wir noch zu einer Tankstelle, dann rufen wir die Pannenhilfe in Tunis an. Es ist bereits nach 22 Uhr, als wir mit abgehängter Kardanwelle am Haken des Abschleppwagens Richtung Hauptstadt fahren  - und 1 Uhr in der Früh, als wir uns im Hafen von den sehr freundlichen Männern des Abschleppdienstes verabschieden. Mit knackender Vorderachse in aufsehenerregender Schräglage „schleichen“ wir dann am folgenden Nachmittag auf die Carthage.

Ein trauriger Anblick: Beni im Hafen von Genua

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